Filmset
6.45 Wecken. Heute soll noch mal so ein Joggingmorgen werden. Den East River hinauf über die Queens Bridge und, wenn ich das schaffen sollte, über die Williamsburgh Bridge wieder zurück. Es ist wieder so ein unglaublich schöner Morgen mit klarer Luft, nur kälter ist es geworden. Die Sonne kämpft noch ein bischen mit einem dünnen Wolkenschal, der sie nicht ganz durchbrechen läßt. Dieses sanfte Licht ist wunderbar und alles scheint angenehm und selbst die leicht angegammelten Häuser in diesem Teil von Brooklyn entfalten Scharm. Immer wenn ich eine Strasse passiere und nach Westen schaue sehe ich einen Teil der Manhattan Skyline. Eine Brücke, die der Quenns Bridge vorgelagert ist, überspannt eine Abzweigung des East River. Unter ihr Filmarbeiten. Ein paar Fotos. Ich frage einen Mann mit Walky Talky. "It´s for Third Watch Series", sagt er.
Ich jogge über die Brücke und finde in einer Seitenstrasse dieses Auto mit dem Zitat dieses brühmten 30er Jahre Fotos der frühstückenden Arbeiter hoch über den Dächern von NY. Ein weisser Lieferwagen scheint das Foto zu stören. Ich gehe hin und bitte ein wenig zur Seite zu fahren. Alles kein Problem. Der Fahrer fährt wie selbstverständlich zur Seite, damit ich mein Foto machen kann. Weiter zur Queens Bridge. Plötzlich, wenige Meter davor ein scharfer Schmerz im rechten Knie. Weiterjoggen ausgeschlossen. Weitergehen nur unter Schmerzen möglich. Ich lasse mir die Möglichkeiten durch den Kopf gehen während ich in Richtung Subway humpele. Gott sei Dank habe ich die Metrocard dabei, denn ich wusste ja nicht ob ich den langen geplanten Weg würde bewältigen können.
Ich komme humpelnd im YMCA an und lasse mir so heiß wie mir möglich in der Dusche Wasser über das Knie laufen. Es wird besser und tatsächlich, ich kann wieder gehen, vorsichtig zwar aber immerhin. Ein Wunder ist das nicht.

Zirka 30 Minuten vorher. Während ich mich die Treppen des Subway Nassau Ave hinaufquäle läuft ein Schwarzer mit zerschlissener Bomberjacke neben mir. Er nuckelt den letzten Schuck aus einer Bierflasche und stellt sie sorglos in die Ecke des Treppenabsatzes. Ich quäle mich an ihm vorbei. "Are you ok?", fragt er mich. "Something´s happend with my knee.", erwiedere ich. "You must take a Heat Pack and put it on your knee", und dann:" Do you have a Heat Pack man?. Viel mehr verstehe ich nicht, aber er wünscht mir viel Glück und ich bedanke mich und wünsche ebenfalls einen schönen Tag. Geduscht mit nun wieder funktionierendem Knie gehe ich in mein Frühstücksrestaurant "3 Decker". Es gibt das Gleiche wie gestern und vorgestern und vor....

Diesmal setze ich mich an den Tresen und bestelle. Scrammbled Eggs, Bacon und Toast. Die Leute sind total freundlich und die Gästemischung ist, wie vieles hier, irgendwie filmreif. Nach der 5. Tasse von dem Zeug, das hier Kaffee heißt und dem Großteil dieses Textes, nochmal ins YMCA, wo ich meine erste Kakerlake auf dem Flur erschlage und dann gehts zum ZDF Studio. Auf dem Weg dahin wieder Musik. Es ist ein Duo in den Gängen der Grand Central Station.

E-Gitarre und Schlagzeug. Die beiden machen Freejazz. Hat nur einen Fehler. Keiner nimmt Notiz von den beiden und die Kasse ist auch sogut wie leer. Das haben sie nicht verdient. Ein Afroamerikaner nimmt außer mir noch Notiz von den Beiden. Er trägt einen alten grauen Mantel und einen bordotroten Hut aus synthetischem Material. Er tanzt ein bischen rum und kommt auf mich zu. "Are you a muscian ?" "No" Er läßt nicht locker. "I´am a musician, man. You give me five Dollar and I sing a song for you. Come with me over there." Er riecht nach Alkohol. Einen guten Tag wünschend drehe ich weg und beginne die beiden Jazzer zu fotografieren. Nächste Station heute ZDF-Studio. Ich darf meine emails schreiben und ein paar Bilder schicken. Quatschen mit Reiki über 6000 Kilometer

.

Das UN Gebäude. Erst wollte ich nur schauen, doch dann entscheide ich mich doch dafür mal die UN-Vollversammlung von innen zu sehen. Der Revolver mit dem verdrehten Lauf sieht in den Aufnahmen immer so groß aus. In Wirklichkeit ist er gerade mal einen Meter lang und vieleicht 70 cm hoch. Die Macht der Perspektive.

 
Ich bekomme eine English Tour 15.30, die auf Hebräisch darf ich nicht nehmen obwohl ich sage, dass ich das gut fände. Im Trusteeship Council wird getagt. Wir dürfen oben auf dem Rang entlanglaufen, aber fotografieren ist verboten. Ich frage, ob schon jemand versucht hat im UN Gebäude politisches Asyl zu bekommen. Sie, eine indianisch aussehende Schönheit, verneint. Dann noch der Tagungsraum für die Wirtschafts und Sozialthemen. Alles hat den Charme der 60er und 70er. Auch der UN Sicherheitsrat. Das Blau an den Wänden ist Stoffbespannung und die Hörer für die Synchronübersetzungen uralt und unbequem. Ich frage nach dem Gobbelin im Hintergrund. Norwegen hat ihn gespendet.
Der Phönix in der Mitte symbolisiere die wiederauferstandene Welt nach dem 2. Weltkrieg. Unsere Führerin ist sehr hüpsch und sich dieser Tatsache außerordentlich bewußt. Sie wirkt sehr taff, aber vieles von dem was sie erzählt ist an den Tafeln hinter ihr zu lesen. Die Generalversammlung ist wirklich beeindruckend. Auf meine Frage ob echtes Gold die Wand hinter dem Podium schmücke und wieviel Karat es hätte, meint sie, es sähe nur nach Gold aus und sei allerhöchstens Blattgold. Dann ist die Führung zu Ende und wir werden mit dem Lift hinuntergefahren......zum Giftshop. Der UN-Gift Shop ist eine abgefahrene Sache. Lauter Müll mit UN-Emblem. Scheußlich.

Ich will noch aufs Empire State. Doch es klappt nicht mehr bis zur Dämmerung, ich habe die Entfernung mal wieder unterschätzt. Kein Problem. Drehe ich halt auf dem Time Square einen Zeitraffer. Als ich in Richtung 44. Strasse gehe, schreit eine schwarze Frau mit Kinderwagen,: "Man fuck your Hourse, fuck your Horse and give me a Ticket bitch!" Sie meint einen NYPD-Officer, der den Timesquare entlangreitet. Er bleibt cool. In einer Seitenstraße stehen ein Haufen Leute vor einem Haus, an dessen Fassade ein Plakat "The fiddler on the roof" zu sehen. Cops, bestimmt 15 bewachen den Eingang. Ich mache ein paar Aufnahmen und entdecke dann den Cop von vorhin auf seinem Gaul. Ich frage ihn nach den Leuten. Das MTV-Studio sei dort und wahrscheinlich Destiny Child gerade oben. Ich frage Ihn noch, ob ich ein Foto ohne Blitz machen kann. Er erwidert, dass sein Pferd auf dem Time Square arbeiten müsse, da sei es Blitze gewohnt. Ich stelle mich also genau vor das Tier und blitze ihm ins Gesicht. Es tut keinen Mucks. Ich habe Hunger und gehe zu MacDoof. Gesund ist es zwar wie bekannt nicht, aber wenigstens habe ich am Schenkel des M's an der Fassade vorbei einen guten Ausblick auf den Time Square. Billiger kann man am in der Ecke nichts zu sich nehmen. Durch den Tip, den man überall mit Bedienung zahlen muss kommt man aber auch hier sehr schnell auf über 10 Dollar. So bleibe ich bei 6,18 und esse einen Quarterpounder, von dem der schwarze Killer aus Pulp Fiction erzählt, bevor er die Jugendlichen erschießt, die einen Koffer geklaut haben.

Wieder im Licht. Ich gehe ein paar Videobilder machen und entdecke am Subwayluftschacht eine Stelle an der Dampf austritt. Gutes Bild denke ich und stelle die Kamera dahin. Ich warte. Als ich mich umdrehe, sehe ich wie ein Kameramann mit einer Profikamera auch ein Dampfaustrittsloch entdeckt hat. Ich sage:"A video shot with es little bit of fock is everytime a nice shot." Er lacht. "What are You shooting here?", frage ich. "We are doing a Film about the Poeple here in NY. Where are you from?", fragt er. "I´m a film editor from Germany.""I´m from wales.""Are You working for the BBC?""No, its a film for a lokal TV station", sagt er. "My Name is Jan and your name?""I´m Trees. Nice to meet You."Ich habe gerade noch Zeit:"Nice to meet You too.", zu sagen, da kommt seine Producerin. Ich nehme die Kamera, winke ihm zu, er lächelt gerade noch zurück und ich suche einen neuen Drehort. Gebrüll. Es steht schon eine ordentlich lange Schlange am Toys'r Us. Es geht um das neue XBoxspiel Halo. Noch etwas mehr als 3 Stunden bis zum Verkauf.

Ich fahre zu Ground Zero. Mit dem 1er Zug bin ich in 20 Minuten da. Ein vier Meter hoher engmaschiger Stahlzaun umgibt das Areal. Auf der Uptown Seite ist nichts zu sehen. Ich umrunde den Platz. An einer Ecke gelingt es mir ein Foto der riesigen Baugrube zu schießen. Auch von der Westseite sieht man nichts. Nur an der Ostseite flattert eine riesige US-Flagge. Durch einen Eingang beim Word Finacial Center gelangt man zu einer Brücke über die Strasse und an der Südseite entlang. Auch nichts zu merken von Ground Zero. Dann ist die Brücke zu Ende und nachdem ich die Treppe hinuntergegangen bin bemerke ich eine kleine Nische vieleicht 2 x 2 Meter. Viele Blumen stehen hier, Fotos, Aufkleber, Zettel hängen am Zaun und neben verschiedenen kleinen Fahnen sind noch andere andenkenähnliche Dinge zu sehen . Ein Foto zu machen scheint mir pietätlos zu sein. Am Ostzaun dann drei Blumensträuße und ein Zettel."Happy Birthday Timm", steht darauf. Das trifft. Ich verweile. Im Kontrast zu Timmis Geburtstagsblumen und meiner Stimmung steht ein hell erleuchteter Bereich an der Südseite. Es ist der Zugang zu den Zügen nach Newark und den Subways. Hier unten sieht es wieder aus wie eine ganz normale Baustelle. Zurück in Green Point sitze ich in dem kleinen Tai, schreibe meine Tageseindrücke und trinke ein NY-er Taibier, bevor mein letzter Tag beginnt.